Mit einer Hand rieb er sich die müden Augen. Wie lange saß er jetzt schon im Büro? Sein Rücken schmerzte und seine Schultern waren vom vielen Sitzen bereits ganz steif. Was er brauchte – das wusste er ganz genau – war Sport. Körperliche Betätigung, um den Stress und die Verspannungen loszuwerden.
Bei dem Gedanken verzogen sich die vollen Lippen zu einem leicht zynischen Grinsen. Witzig. Wenn er sich an seine Jugend erinnerte, erinnerte er sich nicht an Sport. Nur an Unmengen von Büchern. Stapelweise hatte er sie verschlungen. Die einzige Begegnung in seinem Leben mit Sport waren die Quidditchspiele gewesen, die er immer besucht hatte.
Und jetzt? Jetzt war er trainiert, fit und in der besten Form seines jungen Lebens. Was sich nicht alles verändert hatte. Seine Kollegen zogen ihn manchmal damit auf, dass er für einen Job, der viel Sitzen erforderte, viel zu gut aussah. Das war Ansichtssache. Attraktivität war Ansichtssache. Wenn er den ganzen Tag auf seinem Hintern saß und Leute dirigierte, wollte er wenigstens in seiner Freizeit Erholung finden.
Sein Blick glitt hinunter auf die Akten. Mehrere von den Dingern sollte er vor dem Feierabend noch durchgehen. Missmutig starrte er auf den Stapel, der sorgsam geordnet auf seinem Schreibtisch lag. Das war der Nachteil, wenn man eine höhere Position in einer Firma oder einem Ministerium einnahm: man musste sich mit den Bewerbungen herumschlagen. Ihm gefiel der Gedanke nicht, jemand Neuen einstellen zu müssen. Neue Kollegen waren eine anstrengende Aufgabe. Doch er würde sich nicht davon entmutigen lassen.
Mit einer Hand strich er über die Akten und begann dann seine ganz eigene Methode. Nacheinander hob er jede Bewerbung an seine Nase und nahm einen tiefen Atemzug. Dadurch konnte er schon drei wieder weglegen. Vielleicht war das nicht ganz fair, dachte er sich mit einem dunklen Lächeln. Als Werwolf verließ er sich jedoch auf seine Nase. Wenn ihm ein Geruch nicht passte, dann war es das Problem desjenigen mit der schlechten Duftnote.
Eine Bewerbung gefiel ihm, stellte er fest. Er beugte sich über die dunkle Mappe, schloss die Augen und atmete tief ein. Öffnete leicht die Lippen. Genoss die Partikel, die seine Zunge berührten und ihn den Duft beinahe schmecken ließen. Oh ja, diese Mappe gefiel ihm. Trotzdem schob er sie beiseite und widmete sich erst den anderen Mappen. Nacheinander wurden sie geöffnet, gelesen, auf einem extra Bogen Papier machte er sich Notizen. Mit jeder Bewerbung wurde er etwas kribbliger und der Blick seiner blauen Augen huschte immer wieder zu der Mappe mit dem angenehmen Duft.
Dann, endlich... Er schlug die Mappe auf und sah auf das Foto. Blaue Augen. Blondes Haar. Ein Lächeln.
Seine Lippen teilten sich zu einem wölfischen Grinsen. Und mit seiner tiefen Stimme sagte er nur ein Wort zu sich selbst.
"Perfekt."